. . Kontakt | Datenschutz | Plagiat-Schutz |Impressum Stoffwechsel-Erkrankungen bei Pferden
Pferd im Schritt im Gelände

Technischer "Firelefanz" oder sinnvolle Trainingshilfe?

Um es direkt vorweg zu nehmen: für mich persönlich ist das technische Equipment: Pulsuhr / Herzfrequenzmesser eine wertvolle Hilfe!

Ohne das Hilfsmittel der Pulsuhr wäre für mich ein wichtiger "Baustein" für Shodans Training weggefallen. Vielleicht war die Pulsuhr überhaupt der zentrale Baustein, um überhaupt den Mut aufzubringen, Shodan zu belasten - sprich den Weg einzuschlagen, Shodan reitbar auf-zu-trainieren:
Ohne die Kontrolle, quasi als äußere Hilfe für mein Bauchgefühl, daß ich von Shodan wirklich und tatsächlich nicht zu viel verlange, hätte ich mich nicht getraut, von einem - in meinem Kopf - kranken Pferd, das in Watte gepackt gehört ;-) - wirklich etwas zu verlangen.

Bei Pferden mit Vorgeschichte, sei es bei Pferden mit Stoffwechselproblemen, sei es aber auch Pferde mit Arthrose oder ausgeheilten Sehnen-Problemen, fragt sich der Besitzer immer wieder, wie viel kann ich meinem Pferd zumuten?

Eine mögliche Problematik: Der Pferdebesitzer verlangt viel zu wenig von seinem Pferd.  Somit bleibt jeglicher Trainingseffekt aus und in der Folge finden Pferd als auch Mensch die gemeinsame Bodenarbeit oder das Reiten "öde" und langweilen sich immer mehr. Statt Spaß und Bewegungsfreude kommt Langeweile oder sogar Disharmonie auf.

Natürlich kann ein Pulsmesser allein nicht vor Überlastung des Pferdes beim Training schützen. Der gesunde Menschenverstand muss weiterhin eingeschaltet bleiben ;-)
Es gilt IMMER sein Pferd genau zu beobachten.

Aber es hat mich ungemein beruhigt, wenn ein Blick auf die Pulsuhr mir bestätigte, dass Shodan in dem Moment ruhige Pulswerte anzeigte: scheinbar keine innere Anspannung verspürt und tatsächlich - so wie mir mein Bauchgefühl es sagte - scheinbar alles ok ist.

Was ich persönlich bis heute spannend finde: Über die Pulsuhr habe ich mein Pferd noch besser kennengelernt! Häufig kam es vor, das sich Shodan über irgend ein Busch-Gespenst mit viel äußerlichem Gehabe aufgeregt hat => die Pulswerte gingen jedoch kaum nach oben.
"Harmloses" Zusammenzucken hingegen waren zum Teil mit erheblichem Stress - mit gleich mal 30 oder 40 erhöhtem Puls - begleitet!
Die Pulsuhr hat mich wirklich unterscheiden gelernt, wann mal wieder ein "Araber-Show-Gehabe" angesagt ist und wann sich Shodan tatsächlich erschreckt!

Wie geht man mit der Pulsuhr um?

Vor Jahren habe ich immer wieder nach Vergleichswerten und Pulsbereichen gesucht. Was ist denn "normal" für ein Pferd? Und genau hier kann man keine Allgemeingültigen Aussagen treffen: Normal ist für jedes Pferd immer etwas anders!

Der beste Tipp: Einfach Pulsmesser anlegen und losreiten und über Wochen/Monate die Werte auf sich wirken lassen. Schön ist es, wenn man die Werte kurz nach dem Ritt notiert, denn nach einigen Wochen hat man mit Sicherheit Auffälligkeiten vergessen und man erinnert sich nicht mehr daran, wie die Werte tatsächlich waren.
Neben den Pulsbereichen auch Stichworte zum Wetter und zum Allgemeinbefinden des Pferdes machen und auch zur Streckenlänge incl. Tempo. Dieses Trainingstagebuch wird mit den Monaten und Jahren immer interessanter für die weitere Trainingsplanung.

Viel wichtiger als die reinen Laufwerte ist die Erholungszeit: wie schnell nach der Leistung fällt der Puls wieder ab.

Pferde-Herz / Herzfrequenz

Die Leistungsfähigkeit des Herzens bei Pferden ist schon herausragend:
Unter voller Belastung kann die Herzfrequenz bei Pferden auf mehr als dem 6-fachen des Ruhepulses ansteigen.
(von ca 35 Schlägen / min auf ca 240 Schlägen / min)
Diese enorme Steigerungsmöglichkeit übersteigt die Fähigkeit der meisten Spezies incl. der des Menschens! 

Im Ruhezustand pumpt das Herz eines fitten Pferdes mit jedem Schlag ca 1 Liter Blut in die Aorta. Unter Belastung kann diese Menge auf ca 1,7 Liter pro Herzschlag ansteigen. (Der exakte Wert ist abhängig vom Gewicht des Pferdes und der Größe des Herzens)

Die Herzfrequenz des einzelnen Pferdes ist u.a. genetisch bedingt.  Bei Pferden - anders als beim Menschen - scheint sich der Ruhepuls aufgrund von Training nicht zu verringern. Aufgrund von Untersuchungen geht man davon aus, dass Wallache einen leicht niedrigeren Puls als Stuten haben.
Auch die Abstammung / die Rasse hat einen Einfluss auf die Herzfrequenz. Vollblüter erreichen bei gleicher Belastungsintensität eine geringere Herzfrequenz als z.B. Warmblüter.

Vollblüter haben im Durchschnitt auch eine größere Milz als Warmblüter. Dies scheint bei Vollblütern auf eine höhere aerobe Kapazität und Leistungsfähigkeit hinzuweisen.

Die vom Pferd erreichbare maximale Herzfrequenz nimmt mit zunehmenden Alter ab.

Trotz all dieser Abhängigkeiten gilt die Herzfrequenz genau wie im humanen Leistungssport auch im Pferdesport als anerkannter Parameter der Leistungsdiagnostik und kann zur Beurteilung von Leistungs- und Konditions-Veränderungen genutzt werden.

Erholungs-Herzfrequenz

Der Verlauf der Erholungsherzfrequenz gibt Hinweise über die vorher verlangte Belastung und den Fitneß- bzw. Gesundheitszustand des jeweiligen Pferdes:
Wie schnell erholt sich das Pferd nach erbrachter Leistung?

Je schneller und steiler die Rückkehr zum Ausgangsniveau, desto besser ist die Leistungsfähigkeit.

Überforderungen durch Belastungen, bzw. nicht kompensierter Stress bis hin zu Schmerzen verzögern die Rückkehr der Herzfrequenz zum Ausgangswert!


Ungefähre Faustregel:
In der ersten Minute (in den ersten Minuten) nach der Belastung wird ein deutliches Absinken der Pulsschläge erwartet (je nach vorheriger Belastung ca um 30 Pulsschläge).
Nach 5 Minuten sollte die Herzfrequenz unter 100 Schlägen/min liegen. Spätestens nach 10 bis 15 Minuten Erholung im Schritt / nach Belastungsende sollten Pferde einen Puls von weniger als 64 Schlägen / min erreicht haben.
 

Trainings-Pulsbereiche

In welchen Pulsbereichen soll nun trainiert werden?

Um ganz exakt trainieren zu können, müßte man den Maximal-Puls des jeweiligen Pferdes "herausreiten".
Davor sei aber gewarnt! So etwas gehört in die Hand eines Profis unter Profiüberwachung und bedarf eines absolut gesunden Pferdes!

Für Freizeitreiter und vor allem für uns Reiter von stoffwechselbelasteten Pferden kommt es absolut NICHT in Frage den Maximal-Puls zu ermitteln.

SPEED kills!
Je höher die Geschwindigkeit desto höher die Verletzungsgefahr! Als Freizeitreiter haben wir z.B. gar nicht das Gelände mit idealem Geläuf um ein "normales" Pferd so auszulasten.

Wir begnügen uns mit "ungefähren" und lieber zu niedrig angesetzten Pulsbereichen und umgehen damit die Gefahr unsere Pferde zu überlasten bzw. unsere Pferde eines erhöhten Verletzungsrisikos auszusetzen. 
Bei stoffwechselerkrankten Pferden soll das Training mit der Pulsuhr dazu führen, dass wir unsere Pferde möglichst nicht  unterschwellig trainieren, so dass ein Trainingseffekt gänzlich ausbleibt ;-)

Um ganz sicher zu gehen, kann grob abgeschätzt werden:
Bis zu einem Puls von 150 / min arbeiten Pferde im aeroben Stoffwechselbereich! Bleibt man in diesem Trainingsbereich kann es zu keiner Überlastung des Herz-Kreislaufsystems kommen.

Reihenfolge der Belastungssteigerung!
Bezüglich der Reihenfolge der Belastungssteigerungen ist zu beachten, dass der Umfang immer vor der Intensität gesteigert werden sollte, um eine ausreichende Belastungsverträglichkeit zu gewährleisten.

Steigert man die Strecken, die unter Belastung bis zu 150 Schlägen/min geritten werden können, langsam immer weiter, dann kann irgendwann auch mal die Geschwindigkeit gesteigert werden. Wobei dann erst einmal wieder der Umfang verringert wird!

Trainingsprinzip

Der Trainingsverlauf unterliegt bei jedem zu Trainierenden dem Zyklus von Belastung, Ermüdung, Erholung und Anpassung.

Trainingsanpassung wie z.B. der Muskelaufbau findet also nicht im TRAINING statt - sondern in der nachfolgenden Ruhe-/Regenerationsphase!

Nach oder während einer Belastungsphase folgt die Ermüdung quasi als logische Folge der Störung des vorhandenen Gleichgewichts im Organismus. Diese Homöostaseauslenkung hat die Einregulierung eines neuen Gleichgewichts auf einem höheren Niveau zum Ziel, der Organismus des Pferdes reagiert mit Regeneration und Überkompensation [1] (BRUIN, 1994).

Ein Trainingseffekt wird also nur dann erzielt, wenn die Belastung eine Dauer und Intensität aufweist, die die individuelle Reizschwelle überschreitet [1] (SCHNABEL, 2003).

Bleiben Trainingsbelastungen über einen längeren Zeitraum konstant, dann verlieren sie ihre Wirksamkeit für die Leistungssteigerung (Missachtung des Prinzips des trainingswirksamen Reizes). Gleichbleibende Belastungen führen demnach sowohl beim Pferd als auch beim Mensch nur zum Erhalt der Leistungsfähigkeit, nicht aber zu einer Leistungs-Steigerung.

siehe dazu: Trainingsreize: Was bedeutet überhaupt Training?
Training beim Pferd: zwischen Unterforderung und Trainingsreiz: Verletzungen (des Bewegungsapparates) beim Pferd können nur vermieden werden, wenn dem Pferd genügend Zeit zur Anpassung an das Training gewährt wird.

Anhaltspunkte Pulsbereiche

Egal, ob man Tabellen in Büchern findet oder von Stallkollegen erfährt, wo die Pulswerte derer Pferde liegen: Es sind alles nur Anhaltspunkte. Jedes Pferd ist individuell zu betrachten!
Trainiert man selber mehrere Pferde gilt es für jedes Pferd eigene Aufzeichnungen zu führen.

Im Folgenden 2 Puls-Bereich-Übersichten aus 2 Buchquellen, die sich etwas unterscheiden.

Art der Belastung
Trainingszone
Herzfrequenz-Bereiche
Puls-Schläge/min
Ruhepuls35 bis 42
leichte Arbeit im Schritt / Trab60 bis 150
mäßige Belastung im Arbeitsgalopp100 bis 170
hohe Belastung im Renngalopp (Renntrab)    180 oder höher
Quelle: [b2]
Schritt / Trab
Erholungszone
bis 138
Trab
leichte Bewegung
139 bis 161
(ruhiger) Galopp
Steady State
162 bis 184
(zügiger) Galopp
anaerobe Schwelle
185 bis 207
Renngalopp
max. Kapazität
208 bis 230
Quelle: [b3]

Entscheidungskriterium ist immer das Wohlergehen Ihres Pferdes und der Leistungsfortschritt: Praxis regelt die Zahlen!
Quelle: [b3]

Pulswerte: die Umstände / das Geläuf ist entscheidend

Auch wenn man Beispielswerte gefunden hat, ist man meist auch nicht viel schlauer ;-)

Es gilt wirklich, die "eigenen" individuellen Pulswerte bei seinem Pferd heraus zu finden.

Viele Parameter spielen bei den Pulswerten eine Rolle und sollten daher mit ins Trainingstagebuch notiert werden.
In der Ebene haben Pferde selbstverständlich andere Pulswerte als bei Steigungen.

Ein Pferd, das es gewohnt ist auf hartem Boden zu laufen muss sich in (tiefem) Sand deutlich mehr anstrengen und hat dann auch entsprechend höhere Pulswerte.

Genau an dieser Stelle ist z.B. eine "Grenze" der Pulsmessung erreicht. Selbst wenn die Pulswerte beim Training auf Sand gut sind, können bereits Sehnen überlastet werden. Niemals darf NUR oder ausschliesslich  mit Blick auf die Pulsuhr trainiert werden. Pulswerte sind nur ein zusätzlicher Hinweis beim Training!

Lt. biomechanischen Studien wird die Arbeitsbelastung auf Sandboden um 50% im Vergleich zur Bewegung auf festem Untergrund erhöht. [b4]

Gelenk-(Bewegungsapparat-)schonend kann das Herz-Kreislaufsystem und die Muskulatur beim bergauf reiten trainiert werden: das Bergaufreiten an einem steilen Hang im Schritt hat einen ähnlichen Trainingseffekt wie ein Galopp über die 3-fache Streckenlänge im flachen Gelände. [b4]

Daher kann ein Pferd im Schritt z.B. einen Puls von 60 oder beim Schritt aufwärtsklettern auch einen Puls von 130 oder mehr haben. Es kommt immer auf das Geläuf und die Steigung an.

Ein Pferd mit verspannter Muskulatur bzw. ein Pferd, das innerlich angespannt ist, hat einen höheren Puls. Bei einem  Pferd in Erwartungshaltung (weil z.B. die Galoppstrecke bevor steht!) steigt auch der Puls.
Wird das Pferd unsicher, da es "Hindernisse" wie Brücken oder scheinbar "gefährliche Monster" nicht einschätzen kann, steigt auch der Puls.

Innere und äußere Gelassenheit sind daher nicht "nur" Schritte in der Ausbildungsskala sondern wichtige Basis-Ausbildungspunkte für die Gesundheit unserer Pferde.

Quellennachweis:

[1] Dissertation von ANTONIA MARIA UHDE
beim Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen: TRAININGSAUSWIRKUNGEN AUF PARAMETER DER HERZFREQUENZ BEI VIELSEITIGKEITSPFERDEN IM LEISTUNGSSPORT

[Buch][b1] Anatomie verstehen - besser reiten [2010]
[Buch][b2] Anatomie verstehen - Die Organe des Pferdes [2013]

[Buch][b3] Pferde richtig trainieren [1999]
[Buch][b4] Distanzsport: Marathon unter dem Sattel [2004]

persönliche Erfahrungen

Mittlerweile verfolge ich bei Shodan nun über einen Zeitraum von 6 Jahren sehr regelmäßig seine Pulswerte bei unterschiedlichen Belastungen.

Häufig wurden mir im Vorfeld beginnende Probleme bzw. die ersten Anzeichen von Übertraining beim Puls angezeigt.

In den ersten Jahren zeigten mir bei Shodan ungewöhnlich hohe Pulswerte während / zu Beginn der Belastung mögliche Probleme. (siehe auch » Trainingstagebuch: Pulsuhr zur Vorbeugung nutzen)

Ungewöhnlich hohe Pulswerte bei der Belastung gibt es bei Shodan jetzt eigentlich gar nicht mehr. Mittlerweile sind es die Erholungswerte, die es mir erlauben noch "passender" die Belastungen zu wählen.

Immer wieder habe ich getestet und probiert, in welchem Trainings-Pulsbereich Shodans Muskulatur nach der Belastung am lockersten war. Ich notierte mir über Wochen und Monate, in welchem Pulsbereich wir was trainiert hatten und beobachtete, wie Shodan jeweils direkt nach der Belastung beim Absatteln + am Folgetag "aussah" bzw. beim Abtasten der Muksulatur sich anfühlte.

Für Shodan galt: ca 1,5 Jahre war es für ihn optimal im Trab bei einem Pulswert von 100 zu bewegt zu werden. Das war anfänglich ein sehr sehr langsamer Trab von ca 10 km/h. Die Geschwindigkeit hat sich im Laufe der Monate bei identischen Pulsbereich auf ca 15 km/h gesteigert.

Der Galopp fiel Shodan jahrelang sehr schwer. Die Hinterhand war noch nicht locker gymnastiziert:
Durch den gymnastizierenden und pferdegerechten, reellen Beritt von Sabrina Schmidt (Landhof Rothaus) (mittlerweile muss betont werden, wenn Ausbilder ohne Tricks reelle Pferde-Ausbildung - mit dem Ziel die Pferde leistungsfähig und gesund zu erhalten - mit der dafür nötigen Zeit anstreben!)
zeigen sich seit 2011 mehr als deutliche - äußerst positive -  Veränderungen.

Seit Ende 2012 / Anfang 2013 (im Winterfell!) galoppiert Shodan im gemütlichen Canter-Galopp bei Pulswerten bis zu 110/min.
Im Linksgalopp ein paar Pulsschläge höher. Hier zeigt sich nicht nur im Reitgefühl, sondern auch deutlich im Pulsbereich, dass Shodan noch nicht gänzlich geradegerichtet bzw. dass die rechte Hinterhand noch einen Hauch  fester ist.

Natürlich spielt das Wetter eine Rolle: bei eher schwülem Wetter im Frühling mit Winterfell liegen die Pulswerte bei identischer Leistung etwas höher als bei frischem Sommerwind und Sommerfell.

Link Tipp

Taunusreiter: Ausdauertraining mit Herzfrequenzmesser / Heartrate-Monitor (HRM)
Internet-Seiten Taunusreiter
von Frank Mechelhoff


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