Selen - Zufütterung wirklich notwendig ?
Sobald ein Pferd Probleme im Bereich der Muskulatur wie
Verspannungen etc. zeigt bzw. sobald der Verdacht auf PSSM im Raum
steht, wird standardmäßig Selen als
Futterzusatz
empfohlen.
Ich frage mich, ob dieser Automatismus genauer hinterfragt werden
sollte.
Selen ist ein essentielles Spurenelement.
Essentiell bedeutet: der Körper kann das Element nicht selber
herstellen und so muss Selen über die Fütterung zugeführt
werden.
Aufgrund der weltweit unterschiedlichen Selenkonzentrationen im
Boden und damit der variirenden Selenaufnahme werden auch
unterschiedliche Selenmengen im Körper von Tieren bzw. dem Menschen
gefunden.
Selen wird in natürlich vorkommenden, organischen und anorganischen Formen zugeführt. [1]
- Organische Form des Selens
- Selenomethionin
kommt natürlicherweise in Pflanzen vor und hat eine sehr gute Bioverfügbarkeit. Dieses Selen wird wie normales Methionin in "selenunspezifische" Proteine eingebaut. Selenomethionin ist für Supplementation geeignet (üblicherweise in Form von Selenomethion-haltigen Hefen), da keine akuten toxischen Wirkungen zu erwarten sind.
Außerdem bleibt der Selenstatus nach Absetzen der Selentherapie für eine längere Periode im Normbereich, wenn Selen-Hefe und kein anorganisches Selen gegeben werden.
- Selenomethionin
- Anorganische Form des Selens
- Natrium-Selenat
weist eine gute Resorptionsrate auf und wird fast komplett im Darm resorbiert. Jedoch wird ein relativ hoher Anteil in der Niere eleminiert, noch bevor Selen in Proteine eingebaut werden kann. - Natrium-Selenit
hat eine Resorptionsquote von nur ca 50%
- Natrium-Selenat
Über die genauen Resorptionsmechanismen von organischen und
anorganischen Selenverbindungen ist noch relativ wenig bekannt.
Die Bioverfügbarkeit von Selen ist sehr hoch (50
bis 90% - je nach Form des Selens => organisch oder anorganisch
gebunden), die Aufnahme von Selen wird durch Proteine,
Vitamin C sowie Vitamin E
unterstützt. [1]
(Beachten! Bei der Gabe von
anorganischem Natrium-Selenit darf Vitamin C
NICHT gleichzeitig gegeben werden. Bei gleichzeitiger
Einnahme gehen beide Substanzen in biologisch inaktive Formen
über.)
Beim Pferd können rassebedingt
Resorptionsblockaden für anorganische Selenverbindungen, wie sie in Mineralfuttermitteln üblicherweise enthalten sind, gefunden werden.
[5]
Da in Mineralfuttermittel z.T. Vitamin C enthalten ist,
häufig die Selen-Verbindung gar nicht benannt wird (organisch oder
anorganisch gebundenes Selen) bleibt die Wirkung eines solchen
Mineralfutters schon fraglich.
Toxizität
Selen wirkt in "höherer" Dosis toxisch!
Bei Selen (und Jod) erfolgt die Aufnahme durch
Diffusionsprozesse. Dies bedeutet, dass die Aufnahme in den Körper
weitgehend nicht reguliert wird und damit mit steigender Zufuhr
das Risiko einer Überversorgung bzw. einer Intoxikation steigen
kann.
Anders ist es z.B. bei anorganisch gebundenen
Spurenelementen Kupfer, Eisen, Mangan oder Zink.
Hier greift als Regulationsmechanismus ein aktiver Transportmechanismus (Komplexbildner),
der bei steigender Zufuhr die Aufnahme in den Körper verringert. Damit wird einer überhöhten Aufnahme entgegengesteuert und so bei Überversorgung das Risiko von Vergiftungen verringert.
[4]
Diagnostik des Selenstatus
Und jetzt wird es spannend!
Es gibt für Selen KEINE Methode zur sicheren Beurteilung des
Status! [1]
Schauen wir noch einmal genauer hin:
In der Literatur werden 5 verschiedene Methodische Ansätze
zur Beurteilung des Selenstatus beschrieben:
- Berechnung der Selenzufuhr über Nahrung/Futter und Supplemente
- Bestimmung des Selenspiegels im Vollblut, in zellulären Bestandteilen sowie im Plasma bzw. Serum
- Bestimmung der GPx-Aktivität im Blut und in Blutfraktionen
- Bestimmung von Selenoprotein P im Plasma
- Bestimmung von Selen in anderen Geweben
Die am häufigsten verwendete Methode zur Bestimmung des
Selenstatus ist die Bestimmung des Selens im Plasma.
50 - 70% des Plasmaselens sind im Selenoprotein P, welches
vorwiegend in der Leber gebildet wird, enthalten.
Aus diesem Grunde können Leber- und
Nierenfunktionsstörungen Veränderungen des Plasma-Selens
hervorrufen.
Wichtig zu wissen: aufgrund homöostatischer Mechanismen
reflektiert das Plasmaselen vorwiegend nur kurzzeitige
Veränderungen des Selenstatus, z.B. direkt nach Zufütterung.
Außerdem ist das Plasma-Selen wahrscheinlich nur bei einem
höhergradigen Selenmangel sicher aussagekräftig. Vorteilhaft ist
das Plasmaselen für die Überprüfung von toxischen Selenspiegeln,
vor allem im Rahmen einer Selentherapie.
Interessant wie stark die Unterschiede in der Literatur bzw. in Dissertationen lauten: es finden sich stark widersprechende Aussagen:
- einmal:
Beim Pferd liegt die Selen-Konzentration im Vollblut um 50 % höher als im Plasma oder Serum. - oder
Beim Pferd konnten keine bzw. nur sehr geringe Unterschiede zwischen der Selenkonzentration im Vollblut und im Plasma festgestellt werden. [2] - aber immer wieder lauten Hinweise wie folgt: Die Verteilung von Selen auf Vollblut, Plasma, Serum und Blutkörperchen ist noch weitgehend unerforscht! [2]
Bei der Beurteilung ist zu beachten, daß der Plasma- und
Serumselengehalt kurzfristige Änderungen im Selenstatus
widerspiegelt. Dagegen können in Erythrozyten oder Vollblut
gemessene Selenkonzentrationen aufgrund der Lebensdauer der roten
Blutkörperchen (140-150 Tage beim Pferd, CORNELIUS et al., 1960)
für eine längerfristige Beurteilung der Selenversorgung des
Organismus
verwendet werden (beim Pferd: 2-3 Monate), da Selen nur während
der Erythropoese in die Zelle eingebaut wird.
Selen scheint das einzige Spurenelement, dessen Stoffwechsel
und Gewebsverteilung direkt genetisch kontrolliert wird (BEHNE und
KYRIAKOPOULOS, 1997; DREHER et al., 1997, WEISS et al., 1997). [2]
Untersuchungen zeigten eine bevorzugte Einlagerung von Selen
in Gehirn, Fortpflanzungsorgane und Gewebe mit endokriner Funktion (Hypophyse, Nebenniere, Schilddrüse).
Sehr interessant: Studien zeigten trotz einer höheren Selenkonzentration des an Vollblutpferde verabreichten Futters, einen niedrigeren Selengehalt im Blut dieser Tiere als bei Warmblutpferden. Einzelne Forschungsergebnisse zeigten einen höheren Selenstatus bei Hengsten als bei Stuten und Wallachen. [2]
Viele Blutbilder zeigen einen falsch
erhöhten Selenwert. Um den Selenblutwert zu beurteilen
muss noch zusätzlich auf Zink, Kupfer
und Mangan geschaut werden. Mängel im
Bereich von Zink, Kupfer oder
Mangan treiben erfahrungsgemäß den Wert von Selen nach oben.
Jetzt kommt der Verdacht auf, dass bei
Blutbildern mit einem im Referenzbereich liegenden Selenwert,
dieser Wert aufgrund (versteckten) Zink-,
Kupfer- und/oder Manganmangels "so" hoch
- sprich im Referenzbereich - liegt.
Ein reeller und gesunder Selenblutwert liegt vielleicht
viel niedriger als uns die Labor-Referenzwerte zeigen sollen?
Solche Überlegungen würden zu den Überlegungen von Dr. Stefan Brosig
passen.
Selenmangel (?)
Wann haben wir eigentlich einen Selenmangel bei unseren Pferden?
Dr. Stefan Brosig schreibt in seinem Artikel:
Unser tägliches Selen gib' uns heute?
Noch ein weiterer meist nutzloser Mode-Futterzusatz bei Pferden
Empfehlung:
[siehe Pferde fit füttern Dr. Christina Fritz]
Bei unseren modernen Haltungsbedingungen ist eine Überdosierung
von Selen in der Regel wahrscheinlicher als ein Selenmangel!
Daher sollten Selenmängel im Blutbild vorsichtig bewertet
werden und eher über eine Umstellung der Fütterung, Aufbau der
Darmflora und Unterstützung der natürlichen Entgiftungsfunktionen
des Pferdes therapiert werden.
Hohe Überversorgung kann zu einer tödlichen Selenvergiftung
führen!
Persönliche Erfahrungen mit Shodan
Nicht nur bei Shodan erlebe ich, dass Selenhaltiges
Mineralfutter teilweise nicht gut vertragen wird. Ich
hatte das Gefühl, dass Shodan steifer und müder unter der
Zufütterung mit Selen wurde. Auch liefen immer mal wieder die
Beine an, insgesamt beobachtete ich ein leicht verschlechtertes
Allgemeinbefinden.
Da die allgemeine (Lehr-)Meinung aber genau das Gegenteil besagt,
blieb diese Einschätzung bei mir über lange Jahre nur ein "Bauchgrummeln".
Gerade in den Jahren 2004 bis 2006 hat Shodan täglich Selen mit
Vitamin E in unterschiedlichen Dosierungen von unterschiedlichen
Herstellern zugefüttert bekommen.
Erst der Umzug Ende 2006 in ein Selenmangelgebiet und die
rückwirkende Beurteilung des Allgemein-Zustandes von Shodan
zeigten mir deutlich: Je weniger Selen Shodan bekommen hatte,
desto besser ging es ihm.
Statt Selen gab es immer mal wieder kurweise
Vitamin-E
(Kräuterwiese Wichert) für Shodan. Wie unter
Spurenelement Mangan
zu lesen ist, habe ich nicht nur auf die Versorgung mit Magnesium,
Kupfer
und Zink geachtet, sondern eben auch Mangan gezielt gepuscht.
Mittlerweile vertraue ich meinem Bauchgefühl. Shodan ist insgesamt
so stabil, dass ich nach 3 Tagen Zufütterung eines Futtermittels
bereits deutlich erkenne, ob es für Shodan in die richtige
Richtung geht oder seinen Stoffwechsel stört.
Ich gebe Shodan keinen einzelnen Futterbestandteil, den er nicht
auch pur von der Hand abschleckt. So lasse ich ihn auswählen, was
er braucht. (Eine Vorauswahl muss ich jedoch treffen: Hafer
würde er mit Begeisterung fressen. Den muss ich ihm vorenthalten.)
Über einen Zeitraum von ca 2 Jahren habe ich
1 bis 2 mal wöchentlich
"Mordskerl" von dr.WEYRAUCH zugefüttert. Enthalten sind u.a. Zink,
Kupfer und Mangan, Lysin und Methionin, neben Selenhefe auch natürliches Vitamin E und weitere Inhaltstoffe.
Wie man sieht: ... - ganz von der Selenzufütterung komme ich
also auch nicht weg ;-)
Daneben
biete ich immer wieder unterschiedliche Kräuter an. Zusätzlich kann
Shodan sich fast täglich auf
"Nasch-Kräuter-Such-Ausflügen" in Wald und Feld selber Pflanzen
zum Fressen aussuchen. Fast täglich hat er auf andere
"Pflanzen"
Appetit. Ganz spannend zu beobachten, was er sich an welchen Tagen
sucht. ;-)
Quellennachweis und Linktipps
[1]
[Buch] Essentielle Spurenelemente: Klinik und Ernährungsmedizin
[2]
[Buch] Pferde fit füttern
[3]
[Internet]
Dissertation: Untersuchungen zur Selenversorgung von
Vollblutstuten und deren Fohlen während
Trächtigkeit, Laktation und Aufzucht
[4] [Internet]
Equistro: IPALIGO TEC
[5] [Internet]
navalis nutraceuticals: Selenmangel
Wechselwirkung
Es fängt bei der Verdauung an.
Durch falsche Fütterung kann es zu ph-Verschiebungen
in einzelnen Darmabschnitten kommen.
Der ph-Wert bestimmt jedoch den Lebensraum der jeweiligen
Darmflora. Wird die Darmflora gestört können die jeweils
benötigten Mikroorganismen nicht existieren und werden
verdrängt.
Die in jedem Darmabschnitt vorbestimmte Aufgabe kann dann
nicht optimal erfüllt werden: das Pferd kann die Nährstoffe,
die eigentlich - rein rechnerisch - im Futter enthalten sind,
gar nicht "aufnehmen" bzw. die weitere Herstellung von
Folgestoffen entfällt.
Da kein "Einzelsstoff" für sich allein in der Verdauungskette
steht, fängt ein Domino-Effekt an: ganz langsam verschlechtert
sich der Futterzustand, die Leistungsfähigkeit des Pferdes
nimmt ab:
anfänglich unbemerkt und schleichend, bis irgendwann -
plötzlich (?) - erste Symptome auftauchen.
Selenzugaben verringern den Selenblutwert (?)
Immer wieder hörte ich davon, konnte es kaum glauben, aber erlebte es in den letzten 10 Jahren auch immer häufiger "hautnah" mit.
Pferde bei denen eigentliche das Blutbild gar nicht so
schlecht aussah, aber einen Selenmangel im Blutbild
zeigten, bekamen über 4 bis 6 Wochen ein
Kombi-Ergänzungs-Futtermittel Selen + Vitamin E zugefüttert.
Lt. Kontrollblutbild war dann der
BlutSelen-Wert noch weiter gefallen. Auffällig
häufig: gleichzeitig sind Leber- und Nierenwerte gestiegen.
Liegt das eigentliche Problem z.B. in einer mangelhaften
Darmflora, an Mängeln bei Kupfer, Zink oder Mangan oder
anderen Dingen, kann das Pferd zugefüttertes Selen scheinbar
gar nicht aufnehmen. Es belastet dann nur den Organismus! (?)
Link-Tipps Selen
Dr. Stefan Brosig:
Unser tägliches Selen gib' uns heute?
[2008]
Studie abgebrochen (Human)
Die Untersucher wollten prüfen ob Selen, Vitamin E oder beides zusammen Männer vor Prostata-Krebs schützt.
Die Teilnehmer, die das Vitamin E erhielten,
erkrankten häufiger an Prostatakrebs, die Selengruppe
an Diabetes (Type 2 Diabetes).
Selen begünstigt Diabetes
Bei Studien ist es immer so eine Sache: man findet in der Regel
nur das wonach man sucht. Und es gibt immer eine Studie, die das
Gegenteil beweist.
Erkenntnisse vom Menschen aufs Pferd zu übertragen ist nicht einfach machbar.
Trotzdem sollte bei
Pferden, mit Insulin-Resistenz
Symptomen, bei der Gabe von Selen immer auf eine ausgewogene Spurenelement-Zugabe
geachtet werden: Selen immer zusammen mit Zink, Mangan und Kupfer
Ggfs. die Selenzugabe sogar kritisch hinterfragen!
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