. . Kontakt | Datenschutz | Plagiat-Schutz |Impressum Stoffwechsel-Erkrankungen bei Pferden
Foto Kleine Manganstücke, je 2-5 mm - siehe http://jumk.de/mein-pse/mangan.php

Selen - Zufütterung wirklich notwendig ?

Sobald ein Pferd Probleme im Bereich der Muskulatur wie Verspannungen etc. zeigt bzw. sobald der Verdacht auf PSSM im Raum steht, wird standardmäßig Selen als Futterzusatz empfohlen.

Ich frage mich, ob dieser Automatismus genauer hinterfragt werden sollte.


Selen ist ein essentielles Spurenelement. Essentiell bedeutet: der Körper kann das Element nicht selber herstellen und so muss Selen über die Fütterung zugeführt werden.

Aufgrund der weltweit unterschiedlichen Selenkonzentrationen im Boden und damit der variirenden Selenaufnahme werden auch unterschiedliche Selenmengen im Körper von Tieren bzw. dem Menschen gefunden.

Selen wird in natürlich vorkommenden, organischen und anorganischen Formen zugeführt. [1]

  • Organische Form des Selens
    • Selenomethionin
      kommt natürlicherweise in Pflanzen vor und hat eine sehr gute Bioverfügbarkeit. Dieses Selen wird wie normales Methionin in "selenunspezifische" Proteine eingebaut. Selenomethionin ist für Supplementation geeignet (üblicherweise in Form von Selenomethion-haltigen Hefen), da keine akuten toxischen Wirkungen zu erwarten sind.
      Außerdem bleibt der Selenstatus nach Absetzen der Selentherapie für eine längere Periode im Normbereich, wenn Selen-Hefe und kein anorganisches Selen gegeben werden.
  • Anorganische Form des Selens
    • Natrium-Selenat
      weist eine gute Resorptionsrate auf und wird fast komplett im Darm resorbiert. Jedoch wird ein relativ hoher Anteil in der Niere eleminiert, noch bevor Selen in Proteine eingebaut werden kann.
    • Natrium-Selenit
      hat eine Resorptionsquote von nur ca 50%

Über die genauen Resorptionsmechanismen von organischen und anorganischen Selenverbindungen ist noch relativ wenig bekannt.
Die Bioverfügbarkeit von Selen ist sehr hoch (50 bis 90% - je nach Form des Selens => organisch oder anorganisch gebunden), die Aufnahme von Selen wird durch Proteine, Vitamin C sowie Vitamin E unterstützt. [1]

(Beachten! Bei der Gabe von anorganischem Natrium-Selenit darf Vitamin C NICHT gleichzeitig gegeben werden. Bei gleichzeitiger Einnahme gehen beide Substanzen in biologisch inaktive Formen über.)

Beim Pferd können rassebedingt Resorptionsblockaden für anorganische Selenverbindungen, wie sie in Mineralfuttermitteln üblicherweise enthalten sind, gefunden werden. [5]
Da in Mineralfuttermittel z.T. Vitamin C enthalten ist, häufig die Selen-Verbindung gar nicht benannt wird (organisch oder anorganisch gebundenes Selen) bleibt die Wirkung eines solchen Mineralfutters schon fraglich.


Toxizität

Selen wirkt in "höherer" Dosis toxisch!

Bei Selen (und Jod) erfolgt die Aufnahme durch Diffusionsprozesse. Dies bedeutet, dass die Aufnahme in den Körper weitgehend nicht reguliert wird und damit mit steigender Zufuhr das Risiko einer Überversorgung bzw. einer Intoxikation steigen kann.

Anders ist es z.B. bei anorganisch gebundenen Spurenelementen Kupfer, Eisen, Mangan oder Zink. Hier greift als Regulationsmechanismus ein aktiver Transportmechanismus (Komplexbildner), der bei steigender Zufuhr die Aufnahme in den Körper verringert. Damit wird einer überhöhten Aufnahme entgegengesteuert und so bei Überversorgung das Risiko von Vergiftungen verringert. [4]

Diagnostik des Selenstatus

Und jetzt wird es spannend!
Es gibt für Selen KEINE Methode zur sicheren Beurteilung des Status! [1]

Schauen wir noch einmal genauer hin:
In der Literatur werden 5 verschiedene Methodische Ansätze zur Beurteilung des Selenstatus beschrieben:

  1. Berechnung der Selenzufuhr über Nahrung/Futter und Supplemente
  2. Bestimmung des Selenspiegels im Vollblut, in zellulären Bestandteilen sowie im Plasma bzw. Serum
  3. Bestimmung der GPx-Aktivität im Blut und in Blutfraktionen
  4. Bestimmung von Selenoprotein P im Plasma
  5. Bestimmung von Selen in anderen Geweben

Die am häufigsten verwendete Methode zur Bestimmung des Selenstatus ist die Bestimmung des Selens im Plasma.

50 - 70% des Plasmaselens sind im Selenoprotein P, welches vorwiegend in der Leber gebildet wird, enthalten. Aus diesem Grunde können Leber- und Nierenfunktionsstörungen Veränderungen des Plasma-Selens hervorrufen.

Wichtig zu wissen: aufgrund homöostatischer Mechanismen reflektiert das Plasmaselen vorwiegend nur kurzzeitige Veränderungen des Selenstatus, z.B. direkt nach Zufütterung.

Außerdem ist das Plasma-Selen wahrscheinlich nur bei einem höhergradigen Selenmangel sicher aussagekräftig. Vorteilhaft ist das Plasmaselen für die Überprüfung von toxischen Selenspiegeln, vor allem im Rahmen einer Selentherapie.

Interessant wie stark die Unterschiede in der Literatur bzw. in Dissertationen lauten: es finden sich stark widersprechende Aussagen:

  • einmal:
    Beim Pferd liegt die Selen-Konzentration im Vollblut um 50 % höher als im Plasma oder Serum.
  • oder
    Beim Pferd konnten keine bzw. nur sehr geringe Unterschiede zwischen der Selenkonzentration im Vollblut und im Plasma festgestellt werden. [2]
  • aber immer wieder lauten Hinweise wie folgt: Die Verteilung von Selen auf Vollblut, Plasma, Serum und Blutkörperchen ist noch weitgehend unerforscht! [2]


Bei der Beurteilung ist zu beachten, daß der Plasma- und Serumselengehalt kurzfristige Änderungen im Selenstatus widerspiegelt. Dagegen können in Erythrozyten oder Vollblut gemessene Selenkonzentrationen aufgrund der Lebensdauer der roten Blutkörperchen (140-150 Tage beim Pferd, CORNELIUS et al., 1960) für eine längerfristige Beurteilung der Selenversorgung des Organismus
verwendet werden (beim Pferd: 2-3 Monate), da Selen nur während der Erythropoese in die Zelle eingebaut wird.

Selen scheint das einzige Spurenelement, dessen Stoffwechsel und Gewebsverteilung direkt genetisch kontrolliert wird (BEHNE und KYRIAKOPOULOS, 1997; DREHER et al., 1997, WEISS et al., 1997). [2]

Untersuchungen  zeigten eine bevorzugte Einlagerung von Selen in Gehirn, Fortpflanzungsorgane und Gewebe mit endokriner Funktion (Hypophyse, Nebenniere, Schilddrüse).

Sehr interessant: Studien zeigten trotz einer höheren Selenkonzentration des an Vollblutpferde verabreichten Futters, einen niedrigeren Selengehalt im Blut dieser Tiere als bei Warmblutpferden. Einzelne Forschungsergebnisse zeigten einen höheren Selenstatus bei Hengsten als bei Stuten und Wallachen. [2]

Viele Blutbilder zeigen einen falsch erhöhten Selenwert. Um den Selenblutwert zu beurteilen muss noch zusätzlich auf Zink, Kupfer und Mangan geschaut werden.  Mängel im Bereich von Zink, Kupfer oder Mangan treiben erfahrungsgemäß den Wert von Selen nach oben.

Jetzt kommt der Verdacht auf, dass bei Blutbildern mit einem im Referenzbereich liegenden Selenwert,  dieser Wert aufgrund
(versteckten) Zink-, Kupfer- und/oder Manganmangels "so" hoch - sprich im Referenzbereich - liegt.

Ein reeller und gesunder Selenblutwert liegt vielleicht viel niedriger als uns die Labor-Referenzwerte zeigen sollen?
Solche Überlegungen würden zu den Überlegungen von Dr. Stefan Brosig passen.

Selenmangel (?)

Wann haben wir eigentlich einen Selenmangel bei unseren Pferden?

Dr. Stefan Brosig schreibt in seinem Artikel:
Unser tägliches Selen gib' uns heute?
Noch ein weiterer meist nutzloser Mode-Futterzusatz bei Pferden

Empfehlung:
[siehe Pferde fit füttern Dr. Christina Fritz]
Bei unseren modernen Haltungsbedingungen ist eine Überdosierung von Selen in der Regel wahrscheinlicher als ein Selenmangel!
Daher sollten Selenmängel im Blutbild vorsichtig bewertet werden und eher über eine Umstellung der Fütterung, Aufbau der Darmflora und Unterstützung der natürlichen Entgiftungsfunktionen des Pferdes therapiert werden.
Hohe Überversorgung kann zu einer tödlichen Selenvergiftung führen!


Persönliche Erfahrungen mit Shodan

Nicht nur bei Shodan erlebe ich, dass Selenhaltiges Mineralfutter teilweise nicht gut vertragen wird. Ich hatte das Gefühl, dass Shodan steifer und müder unter der Zufütterung mit Selen wurde. Auch liefen immer mal wieder die Beine an, insgesamt beobachtete ich ein leicht verschlechtertes Allgemeinbefinden.
Da die allgemeine (Lehr-)Meinung aber genau das Gegenteil besagt, blieb diese Einschätzung bei mir über lange Jahre nur ein "Bauchgrummeln".
Gerade in den Jahren 2004 bis 2006 hat Shodan täglich Selen mit Vitamin E in unterschiedlichen Dosierungen von unterschiedlichen Herstellern zugefüttert bekommen.

Erst der Umzug Ende 2006 in ein Selenmangelgebiet und die rückwirkende Beurteilung des Allgemein-Zustandes von Shodan zeigten mir deutlich: Je weniger Selen Shodan bekommen hatte, desto besser ging es ihm.

Statt Selen gab es immer mal wieder kurweise Vitamin-E (Kräuterwiese Wichert) für Shodan. Wie unter Spurenelement Mangan zu lesen ist, habe ich nicht nur auf die Versorgung mit Magnesium, Kupfer und Zink geachtet, sondern eben auch Mangan gezielt gepuscht.

Mittlerweile vertraue ich meinem Bauchgefühl. Shodan ist insgesamt so stabil, dass ich nach 3 Tagen Zufütterung eines Futtermittels bereits deutlich erkenne, ob es für Shodan in die richtige Richtung geht oder seinen Stoffwechsel stört.

Ich gebe Shodan keinen einzelnen Futterbestandteil, den er nicht auch pur von der Hand abschleckt. So lasse ich ihn auswählen, was er braucht. (Eine Vorauswahl muss ich jedoch treffen: Hafer würde er mit Begeisterung fressen. Den muss ich ihm vorenthalten.)
 
Über einen Zeitraum von ca 2 Jahren habe ich 1 bis 2 mal wöchentlich  "Mordskerl" von dr.WEYRAUCH zugefüttert. Enthalten sind u.a. Zink, Kupfer und Mangan, Lysin und Methionin, neben Selenhefe auch natürliches Vitamin E und weitere Inhaltstoffe. Wie man sieht: ... - ganz von der Selenzufütterung komme ich also auch nicht weg ;-)

Daneben biete ich immer wieder unterschiedliche Kräuter an. Zusätzlich kann Shodan sich fast täglich auf "Nasch-Kräuter-Such-Ausflügen" in Wald und Feld selber Pflanzen zum Fressen aussuchen. Fast täglich hat er auf andere "Pflanzen" Appetit. Ganz spannend zu beobachten, was er sich an welchen Tagen sucht. ;-) 

Quellennachweis und Linktipps
[1] [Buch] Essentielle Spurenelemente: Klinik und Ernährungsmedizin
[2] [Buch] Pferde fit füttern

[3] [Internet] Dissertation: Untersuchungen zur Selenversorgung von Vollblutstuten und deren Fohlen während Trächtigkeit, Laktation und Aufzucht
[4] [Internet] Equistro: IPALIGO TEC
[5] [Internet] navalis nutraceuticals: Selenmangel


Wechselwirkung

Es fängt bei der Verdauung an. 

Durch falsche Fütterung kann es zu ph-Verschiebungen in einzelnen Darmabschnitten kommen.

Der ph-Wert bestimmt jedoch den Lebensraum der jeweiligen Darmflora. Wird die Darmflora gestört können die jeweils benötigten Mikroorganismen nicht existieren und werden verdrängt.
Die in jedem Darmabschnitt vorbestimmte Aufgabe kann dann nicht optimal erfüllt werden: das Pferd kann die Nährstoffe, die eigentlich - rein rechnerisch - im Futter enthalten sind, gar nicht "aufnehmen" bzw. die weitere Herstellung von Folgestoffen entfällt.

Da kein "Einzelsstoff" für sich allein in der Verdauungskette steht, fängt ein Domino-Effekt an: ganz langsam verschlechtert sich der Futterzustand, die Leistungsfähigkeit des Pferdes nimmt ab: anfänglich unbemerkt und schleichend, bis irgendwann - plötzlich (?) - erste Symptome auftauchen.

Selenzugaben verringern den Selenblutwert (?)

Immer wieder hörte ich davon, konnte es kaum glauben, aber erlebte es in den letzten 10 Jahren auch immer häufiger "hautnah" mit.
Pferde bei denen eigentliche das Blutbild gar nicht so schlecht aussah, aber einen Selenmangel im Blutbild zeigten, bekamen über 4 bis 6 Wochen ein Kombi-Ergänzungs-Futtermittel Selen + Vitamin E zugefüttert.

Lt. Kontrollblutbild war dann der BlutSelen-Wert noch weiter gefallen. Auffällig häufig: gleichzeitig sind Leber- und Nierenwerte gestiegen.

Liegt das eigentliche Problem z.B. in einer mangelhaften Darmflora, an Mängeln bei Kupfer, Zink oder Mangan oder anderen Dingen, kann das Pferd zugefüttertes Selen scheinbar gar nicht aufnehmen. Es belastet dann nur den Organismus! (?)

Link-Tipps Selen


Dr. Stefan Brosig:
Unser tägliches Selen gib' uns heute?


[2008]
Studie abgebrochen (Human)
Die Untersucher wollten prüfen ob Selen, Vitamin E oder beides zusammen Männer vor Prostata-Krebs schützt.
Die Teilnehmer, die das Vitamin E erhielten, erkrankten häufiger an Prostatakrebs, die Selengruppe an Diabetes (Type 2 Diabetes).
Selen begünstigt Diabetes 

Bei Studien ist es immer so eine Sache: man findet in der Regel nur das wonach man sucht. Und es gibt immer eine Studie, die das Gegenteil beweist.

Erkenntnisse vom Menschen aufs Pferd zu übertragen ist nicht einfach machbar.

Trotzdem sollte bei Pferden, mit Insulin-Resistenz Symptomen, bei der Gabe von Selen immer auf eine ausgewogene Spurenelement-Zugabe geachtet werden: Selen immer zusammen mit Zink, Mangan und Kupfer

Ggfs. die Selenzugabe sogar kritisch hinterfragen!

Buchempfehlung
amazon.de
 

Amazon Buchempfehlung: Essenzielle Spurenelemente: Klinik und Ernährungsmedizin
Essentielle Spurenelemente
Klinik und Ernährungsmedizin

von Cem Ekmekcioglu
und Wolfgang Marktl